Artikel: 900 Tonnen Stahl schwimmen über den Teltowkanal
Beim Ausbau der sogenannten Dresdner Bahn ist mit dem Einschub der neuen Eisenbahnbrücke über den Teltowkanal das nächste Etappenziel erreicht. Impressionen von der spektakulären Aktion.

„Eigentlich kann gar nichts schiefgehen“, sagt Dariusz Gondek. „Wir haben alles genau berechnet und bis ins kleinste Detail geplant.“ Der Bauüberwacher von DB E&C ist seit 6:30 Uhr auf der Baustelle südlich des S-Bahnhofs Attilastraße im Berliner Stadtteil Tempelhof und beobachtet das Geschehen mit Argusaugen. Am Nordufer des Teltowkanals wartet der Star des Tages: Die neue Stabbogenbrücke, über die künftig die zweigleisige Fernbahnstrecke Berlin–Dresden über den Teltowkanal führen wird. 900 Tonnen wiegt die Stahlkonstruktion, die es gilt, zum gegenüberliegenden Ufer zu manövrieren, bis sie dort sicher aufliegt. Das Besondere bei der Aktion: Das Schwergewicht wird einen großen Teil der Strecke schwimmend eingeschoben.
„Alles muss jederzeit kontrollierbar bleiben“
Seit gut einem Jahr betreut der Bauüberwacher der DB E&C im Auftrag von DB Netz den Aufbau und Einschub der neuen Teltowkanalbrücke in allen erforderlichen Arbeitsschritten. „Der Erfolg einer derart komplexen und technisch anspruchsvollen Aufgabe hängt entscheidend vom Gesamtteam ab: insbesondere von der Projektleitung, den beauftragten Spezialfirmen, den Sachverständigen, der Planung und Terminsteuerung“, sagt Gondek.
Gefertigt wurde die Stabbogenbücke von einer Stahlbaufirma im vogtländischen Plauen und ab März 2023 in mehreren Segmenten angeliefert. Die Endmontage der 67 Meter langen, 12,5 Meter hohen und 12 Meter breiten Konstruktion erfolgte bis Mitte August direkt vor Ort. Anschließend musste sie von der Montagefläche gut 100 Meter in Richtung Teltowkanal geschoben und für das „Einschwimmen“ positioniert werden. „Die Herausforderung ist jetzt, dass alles stabil und jederzeit kontrollierbar und berechenbar bleibt“, so Gondek. Um das zu gewährleisten, findet der Einschub etappenweise statt – Zentimeter um Zentimeter.
Ponton trägt das Gewicht
Los geht‘s um 7:30 Uhr. Geschoben wird die Brücke zunächst nur so weit, dass sie den Kipppunkt nicht erreicht und ihr Gewicht auf dem 14 Meter hohen Stützenturm auf dem am Ufer fest vertäuten Ponton aufliegt. Diese erste Etappe ist gegen Mittag geschafft. Nun muss der Ponton „ballastiert“ werden, damit der Stahlkoloss stabil und in der richtigen Einschubhöhe aufliegt. Dazu wird Wasser aus dem Ponton gepumpt, bis Höhe und Ausrichtung stimmen.
Um später die Auflagepunkte am anderen Ufer zu erreichen, wird die Brücke nun noch etwa zehn Meter weitergeschoben. Das geschieht auf speziellen Gleitplatten, die oben auf den Stützen angebracht sind, die die Brücke auf dem Ponton tragen. Für ein langsames und gleichmäßiges Gleiten sorgen eine Teflon-Beschichtung und reichlich Schmierseife.
Insgesamt elfeinhalb Stunden Anspannung
Gegen 11 Uhr liegt die Brücke auf dem Ponton schließlich in Position und ist gesichert. Die nächste Etappe kann beginnen: das Übersetzen des Pontons ans andere Ufer des Teltowkanals. Die rund 30 Meter Wasserweg sind in zwei Stunden geschafft und nach dem der Ponton dort fest gemacht ist, startet die vorletzte Etappe: Nun muss die Brücke zunächst noch rund zehn Meter auf der Hilfsstütze am Südufer geschoben und sicher auf dem dortigen Verschublager positioniert werden. Im letzten Arbeitsschritt wird die Brücke bis in ihre endgültige Position auf dem Widerlager weitergeschoben und legt dabei die letzten rund 16 Meter zurück.
Dieser Verschubvorgang gestaltet sich dann allerdings schwieriger als gedacht. „Die Teflon-Schicht einiger Gleitplatten hatte sich beim Schiebevorgang mehr abgenutzt, als vorauszusehen war“, erklärt Bauüberwacher Gondek. Folge: Die Brücke gleitet nun nicht gleichmäßig über den Stützenturm, sondern kommt nur ruckweise voran. „Wir haben deshalb eine längere Pause eingelegt und gemeinsam mit den anwesenden Experten beraten, ob wir abbrechen oder weitermachen.“
Wie der Brückeneinschub in den einzelnen Etappen bis dahin vor sich ging, zeigt das folgende Zeitraffer-Video von DB Netz:
Ende des oberhalb befindlichen Videos
In der Abenddämmerung fällt die Entscheidung auf Weitermachen – und gegen 21 Uhr liegt das Schwergewicht schließlich auch am Südufer des Teltowkanals auf den vorgesehenen Auflagepunkten.
Etappenziel für die „Dresdner Bahn“ erreicht
Mit dem Wiederaufbau und Ausbau der sogenannten Dresdner Bahn beseitigt die DB Kapazitätsengpässe von Berlin in Richtung Süden und bindet den Flughafen BER besser an die Hauptstadt an. Nach der Inbetriebnahme zum Fahrplanwechsel 2025 verkürzt sich die Reisezeit zwischen Berlin und Dresden und vom Berliner Hauptbahnhof zum BER dauert es mit dem Flughafen-Express (FEX) nur noch rund 20 Minuten. Ein wichtiges Etappenziel ist nun mit dem Einschub der Brücke über den Teltowkanal erreicht.