Der Dosto-Papst von Frankfurt

Artikel: Der Dosto-Papst von Frankfurt

Kaum jemand kennt den Doppelstock-Intercity so gut wie Jens Schröder. Auf der Linie 34 sorgt der Techniker mit dem Herzen am rechten Fleck am Frankfurter Hauptbahnhof nicht nur für das Wohlergehen „seiner“ Fahrzeuge – auch das der Kolleginnen und Kollegen ist ihm wichtig.

Mittagszeit am Frankfurter Hauptbahnhof: Auf Gleis 16 rollt der Intercity 2227 aus Münster ein, am Prellbock wartet bereits ein Mann in neon-orangener Jacke. Kaum ist der Doppelstockzug zum Stillstand gekommen, öffnet sich das Seitenfenster des Steuerwagens. „Wie schön, dass du da bist, Jens!“, ruft der Lokführer in Richtung des Kollegen mit der auffälligen Bekleidung. Man kennt sich, grüßt sich mit lässigem Handschlag.

Jens Schröder ist Fahrzeugexperte bei der DB Fahrzeuginstandhaltung (FZI) in Wittenberge. Vor gut einem Jahr ging die IC-Linie 34 Frankfurt am Main–Dortmund/Münster(–Norddeich) zum Fahrplanwechsel 2021/2022 an den Start. Doch die neuen Züge der Intercity 2-Flotte verursachten immer wieder Verspätungen und Zugausfälle. Die Gründe: meist technische Probleme und diverse „Kinderkrankheiten“. Als Schröder gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, nach Frankfurt zu gehen, um die Lokführer:innen bei der Entstörung zu unterstützen, überlegte der 45-Jährige nicht lange und sagte zu.

Seitdem ist er als Retter in der Not sowohl am Bahnsteig als auch im Führerraum präsent und kümmert sich an fünf Tagen in der Woche im Auftrag des Werks Wittenberge darum, dass die ankommenden Doppelstockzüge möglichst „sauber“ wieder ins Rennen gehen.

Bekannt wie ein bunter Hund

Egal, ob eine Tür nicht richtig schließen will, die Toilettenspülung streikt oder eine Bremse nicht mehr anlegt: Mit viel Engagement und Leidenschaft setzt der gelernte Metallbauer alles daran, binnen der knappen Wendezeit jedes denkbare Problem zu lösen. Auch für die Info-Displays, den Zugbus oder die Klimaanlagen hat er immer einen Kniff parat. So sorgt Schröder, der bei den Lokführer:innen längst bekannt ist wie ein bunter Hund, für eine bessere Verfügbarkeit der Fahrzeuge.

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Dabei bedient er sich schwerem Werkzeug genauso gern wie unorthodoxen Mitteln: Seine Züge nennt er „Schätzchen“, manch kleine Störung hat er schon mit lieben Worten und Geduld ganz einfach weggestreichelt. Es gibt wohl keine Klappe am Doppelstock-Intercity, die Schröder noch nicht geöffnet hat, keine Schraube, die er nicht beim Vornamen kennt. Kein Wunder, dass ihm der Spitzname „Dosto-Papst“ anhaftet.

Der Bahn ein freundliches Gesicht geben

Zurück an Gleis 16. Auf der Lokomotive des angekommenen Intercity verweigert die Linienzugbeeinflussung (LZB) ihren Dienst, außerdem läuft eine Tür nicht richtig zu. Schröder blickt auf die Uhr. In 40 Minuten soll der Zug wieder auf die Strecke gehen – nicht viel Zeit, um die Störung in den Griff zu bekommen. Er entert den Führerraum der Lok der Baureihe 147.5, tippt routiniert auf dem Touchscreen, senkt die Stromabnehmer und verschwindet dann im Maschinenraum. Kurz darauf ist das Problem gelöst. Bleibt noch die Einstiegstür. Schröder schnappt sich einen Lappen und geht zum betroffenen Wagen, nicht ohne vorher einer etwas orientierungslos wirkenden Familie den Weg ins Kinderabteil zu zeigen. Der Bahn ein freundliches Gesicht zu geben, ist eine seiner Herzensangelegenheiten.

Wenig später lächelt Schröder triumphierend und hält wie zum Beweis den Lappen hoch: „Hab ich‘s mir doch gedacht!“ Ein dünner Film aus Öl und Wasser hatte sich auf die Reflektoren der Lichtschranke gelegt. Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben. Nun ist wieder alles sauber und die Tür schnurrt einwandfrei auf und zu.

Mittlerweile ist auch die Lokführerin angekommen, die den Zug übernehmen wird. Schröder freut sich, ihr einen störungsfreien Zug übergeben zu können. Noch einen Handschlag aus dem Seitenfenster, dann blickt Schröder zufrieden noch eine Weile den Schlusslichtern hinterher. Der nächste Zug der Linie 34 läuft erst in einer Stunde ein – genug Zeit für einen Kaffee zwischendurch.

Schröder wird noch eine Weile lang Support für den Dosto leisten. Außerdem wartet in diesem Jahr ein weiteres Abenteuer auf ihn: Er wird seinen Lokführerschein machen. „Damit geht für mich ein echter Traum in Erfüllung!“