Europa fängt am Bahnhof Gröditz an

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Artikel: Europa fängt am Bahnhof Gröditz an

Von Gröditz in Sachsen mit nur zwei Umstiegen nach Strasbourg. Wer von Prödel in Sachsen-Anhalt aus nach Paris fahren will, muss ebenfalls nur zwei Mal den Zug wechseln. Europa, sagt Cornelia Kadatz, fängt eben schon an den Bahnhöfen an. Natürlich auch an ländlichen Haltepunkten, wenn man es ganz genau nimmt. Cornelia Kadatz ist Leiterin Regionalbereich Südost, Geschäftsbereich Personenbahnhöfe bei der DB InfraGO. Im Interview beschreibt sie, warum Europa und die Europäische Union für sie nicht mehr wegzudenken sind – und warum es wichtig ist, die anstehenden Europa-Wahlen auch im Gespräch mit Mitarbeitenden zu adressieren.

Frau Kadatz und Europa, Europa und Frau Kadatz – was geht Ihnen da durch den Kopf?

Für mich ist es eine unglaublich spannende Perspektive, dass wir wirklich im Herzen Europas leben und sich daraus so viele Freiheiten, aber eben auch Verpflichtungen ableiten lassen. Ganz persönlich: Ich bin im Osten groß geworden. Die Wende kam, als ich 12 war. Das ist für mich ein großes Glück. Also, ich habe da auch die Perspektive drauf, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ich heute einfach nach Österreich oder nach Schweden fahren kann.

Und beruflich: Gerade wenn man bei der Eisenbahn arbeitet und wie ich im Südosten – da denkt man sofort an Themen wie die Neubaustrecke Dresden – Prag, künftig würde die Fahrt hier nur noch eine Stunde dauern. Das kann Biografien verändern, Menschen werden leichter pendeln können – von Deutschland nach Tschechien oder umgekehrt. Oder ich schaue auf die Fußball-EM, wir dürfen hier vier Wochen lang Gastgeber für Europa sein, und wir tun alles dafür, dass sich wirklich alle willkommen fühlen. Das wollen wir an den Bahnhöfen übrigens 365 Tage im Jahr.

Wie sehen Sie die Rolle der DB in Europa?

Weil wir eben mittendrin sind, müssen wir helfen, dass das, was Europa zusammenhält, funktioniert. Und das tun wir. Ob Personenverkehr oder Güterverkehr: Das ist der Anspruch, das manchmal dicke Brett. Insofern ist die Deutsche Bahn auch ein europäisches Unternehmen mit einer großen Aufgabe.

Und natürlich haben alle Bahnhöfe etwas mit Europa zu tun, auch Haltepunkte weit weg von Großstädten – sie sind der Einstiegspunkt, um mit der Eisenbahn überall hinzufahren, wo die Menschen hinfahren wollen. Das gilt für Leipzig, aber auch für Gröditz in Sachsen oder Prödel in Sachsen-Anhalt.

Wie gehen Sie mit dem Thema Europawahl und Mitarbeitende um? Adressieren Sie das?

Ich fand den Aufruf sehr richtig, dass Führungskräfte ins Gespräch gehen sollen. Und ich werde das bei einer Mitarbeitendenversammlung kurz vor der Wahl am 9. Juni auch machen.

Ein Problem, das Europa sicherlich hat, ist, dass viele nicht oder nicht mehr wissen, wie es ohne ist. Vielleicht ist das ja auch eine Parallele zwischen der Eisenbahn und Europa – das sind beides unglaublich komplexe Systeme, die aber sehr viele Vorteile für die Allgemeinheit haben. Nur ist man diese Vorteile schon so gewohnt, dass man vor allem Probleme sieht. Und deshalb müssen wir Geschichten teilen, auch erinnern und klar machen, dass es ohne Europa nicht geht. Wer meint, Deutschland habe nichts mit Europa zu tun, der hat noch nie auf eine Landkarte geguckt. Ich bin überzeugt: Als Eisenbahner:in kann man gar nicht „nicht europäisch“ sein.