Kritik an ZDF-Doku „Die Insider Bahn“ vom 5. März 2024: oberflächlich, irreführend und unfair

Artikel: Kritik an ZDF-Doku „Die Insider Bahn“ vom 5. März 2024: oberflächlich, irreführend und unfair

Gibt es für eine investigative TV-Doku etwas Besseres, als wenn ehemalige Beschäftigte eines Unternehmens „auspacken“? Das verspricht vermeintlich authentische Berichte darüber, was hinter den Kulissen so läuft. Warum man sich vom Arbeitgeber getrennt hat, bleibt natürlich offen. Nach diesem Schema will das Format „Die Insider“ des ZDF seit Jahren zur besten Sendezeit „geheime Strategien“ und „gezielte Beeinflussungen“ aufzeigen. Dabei scheut man nicht den Klamauk, die Protagonisten mit Gesichtsmasken unkenntlich zu machen, die man eher im Karneval als beim ZDF vermuten würde.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich der Sender nach Unternehmen wie Lidl, Rossmann oder Aida mit der DB beschäftigen wird. Am Dienstag, 5. März, um 20.15 Uhr war es so weit.

Welche Chance hatten wir, unsere Sicht der Dinge darzulegen?
Wenn die Konzernkommunikation der DB nur zwei Wochen vor einer so aufwendig produzierten Sendung Fragen zur schriftlichen Beantwortung zugeschickt bekommt, ist klar: Die Drehs sind gelaufen, die Story steht – jetzt wird nur noch einer journalistischen Pflicht Genüge getan. Ein paar Sätze unserer Antworten sind dann auch eingeblendet worden. Eine Reaktion auf die Aussagen in der Doku war ebenso wenig möglich wie ein Interview. Wir nutzen daher heute die Gelegenheit, unsere Sicht der Dinge darzulegen.

Hat die DB ein Problem mit Fernsehsendern?
Im Frühjahr/Sommer 2023 gab es drei große Bahndokus im Fernsehen: Die RTL-Doku „Durchleuchtet“ mit Peter Kloeppel, ein heute-show-Spezial im ZDF und einen ARD-Thementag „#besserbahnfahren“ mit Sven Plöger. Jedes Mal hat sich die Redaktion frühzeitig mit uns zusammengesetzt, war an Hintergründen interessiert und hatte ein ehrliches Interesse an unseren Positionen – ohne die journalistisch notwendige, kritische Distanz aufzugeben. Alle drei Dokus waren fair und journalistisch sauber. Es hat sich gelohnt, Dreharbeiten bei der DB zu ermöglichen, denn unsere Kolleginnen und Kollegen wurden nicht vorgeführt, sondern sehr wohlwollend und respektvoll behandelt.

Was steckt hinter den Vorwürfen?

BEHAUPTUNG ZDF:
Die DB verkaufe bewusst mehr Tickets, als Plätze im Zug vorhanden sind. „Überfüllte Züge sind Teil des Plans.“ Und: „Die Bundespolizei muss immer wieder Züge räumen.“

FAKT IST:
Wir verzichten bewusst auf eine Reservierungspflicht, damit unsere Fahrgäste flexibel reisen können. Das begrüßen auch die Fahrgastverbände. Natürlich kann es passieren, dass mehr Fahrgäste einsteigen, als Sitzplätze vorhanden sind. 2023 gab es aber im Fernverkehr nur bei 0,2 Prozent der Züge eine Teilräumung. Nur in den wenigsten dieser Fälle musste die Bundespolizei hinzugezogen werden.

BEHAUPTUNG ZDF:
Die Fahrgäste hätten durch die neue EU-Fahrgastregelung seit Juni 2023 „fast kein Anrecht auf irgendetwas“. Nur, wenn die DB zu 100 Prozent dafür verantwortlich ist, werde entschädigt.

FAKT IST:
Die DB hat 2023 deutlich höhere Entschädigungssummen (132,8 Mio. Euro) gezahlt als im Vorjahr (92,7 Mio. Euro).
Die Aussage, die Bahn entschädige nur bei 100-prozentigem Verschulden, ist schlicht falsch. Wir entschädigen zum Beispiel auch bei „normalem Unwetter“ oder bei Tieren im Gleis. Nur wenn die Verspätung ausschließlich und zweifelsfrei auf einen Eingriff Dritter zurückzuführen ist, müssen wir nicht zahlen.

BEHAUPTUNG ZDF:

Die Kaffeemaschinen im Bordbistro "funktionieren in den meisten Fällen nicht, weil zum Beispiel die Bordgastronomen vergessen haben, die Milch auszuschütten. Oder die Entkalkungstabletten sind nicht da."

FAKT IST:
2024 lag die Verfügbarkeit der Kaffeemaschinen bisher bei 94 Prozent. Nebenbei bemerkt: Der Vorwurf eines ehemaligen Mitarbeiters an seine Kolleginnen und Kollegen von früher ist ein grobes Foul.

BEHAUPTUNG ZDF:
Bei der Grundreinigung der ICE würden die Kopfkissen „immer wieder gerne übersehen“. „Die Leute denken, dass sie täglich gewechselt werden – tatsächlich werden sie fast nie gewechselt.“

FAKT IST:
Die Bezüge der Kopfkissen werden nicht „übersehen“, sondern alle sechs Wochen grundgereinigt und gegen frisch gewaschene Bezüge ausgetauscht. Wenn sie verschmutzt sind, werden sie sofort gewechselt.

BEHAUPTUNG ZDF:
Im Nahverkehr fährt die DB „vorwiegend“ mit Diesel.
FAKT IST:
Im Nahverkehr fährt der weitaus überwiegende Teil der Züge elektrisch. Man denke nur an die großen S-Bahnnetze in Berlin, Frankfurt und Hamburg, die zu 100 Prozent elektrifiziert sind.

BEHAUPTUNG ZDF:
„…, dabei ist die Deutsche Bahn AG für rund 2,4 Prozent aller Treibhausemissionen von Deutschland verantwortlich.“

FAKT IST:
Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das ZDF summiert die weltweiten Emissionen des DB-Konzerns, also zum Beispiel inklusive DB Schenker in Übersee. Diese weltweite Zahl wird ins Verhältnis gesetzt zu den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland. Eine solche Rechnung ist nicht korrekt: Die Emissionen der DB in Deutschland haben nur einen Anteil von 0,6 Prozent.

BEHAUPTUNG ZDF:
„Der monatliche Verdienst eines ‚Reisebegleiters‘ liegt um 3.000 Euro brutto.“

FAKT IST:
Bei uns verdienen Mitarbeitende im Zugbegleitdienst im Nah- und Fernverkehr je nach Berufserfahrung 3.200 bis 4.400 Euro brutto. Zusätzlich haben die meisten DB-Beschäftigten in den letzten 12 Monaten insgesamt 3.000 Euro netto Inflationsausgleichsprämie erhalten. (2.850 Euro + 150 Euro Energiebonus)

Fazit: 
Wir wissen, dass unsere Performance nicht so ist, wie die Fahrgäste es verdient haben. Das bietet Angriffsflächen und lenkt den Blick der Medien auch auf Themen jenseits der Betriebsqualität. Mit fundierter Kritik daran können wir umgehen – sofern mit offenem Visier gekämpft wird. Das war beim ZDF nicht der Fall, und das haben unsere Beschäftigten nicht verdient.