Artikel: S3-Köpfe: Anja Schöllmann zu „Fahrzeugqualität DB Fernverkehr“
Verfügbarkeit und die Qualität der Fahrzeuge im Fernverkehr müssen verbessert werden. Ziel ist es, die pünktlichkeitsrelevanten Störungen durch die weitere Verjüngung und Modernisierung der Flotte sowie den Ausbau der Werke zu verringern. Um auch in den Zügen das Kundenerlebnis zu verbessern, wird ein weiterer Schwerpunkt darauf liegen, Störungen mit Auswirkungen auf den Komfort wie zum Beispiel ausgefallene Kaffeemaschinen oder defekte Bord-WCs zu reduzieren. Anja Schöllmann, Vorständin Produktion bei DB Fernverkehr, verantwortet das S3-Projekt „Fahrzeugqualität DB Fernverkehr“ und spricht im Interview über den aktuellen Stand, aber auch besondere Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts.
Worum geht es im Projekt „Fahrzeugqualität DB Fernverkehr“?
Unser Ziel ist es, unsere Fahrzeuge pünktlicher und besser zu machen für die Reisenden. Im Wesentlichen gibt es dafür drei Kennzahlen:
- die Verfügbarkeit der ICE
- die Reduzierung der pünktlichkeitsrelevanten Störungen und
- die Reduzierung der komfortrelevanten Störungen
Was ist die entscheidende Veränderung im Projekt, damit S3 die Wende bringt?
Aus meiner Sicht ist es die Entwicklung, dass wir einen ganz klaren Fokus auf das Ziel haben.
Das zeigt zum Beispiel das Thema Bordgastronomie bei uns im Fernverkehr. Hier verfolgen wir jetzt einen stärkeren ressortübergreifenden Ansatz. Das ist nicht immer einfach. Denn um im Bordrestaurant alles anbieten zu können, muss viel zusammenpassen: die Verfügbarkeit der Technik, die Warenverfügbarkeit, die Kühlketten, die Logistikprozesse oder auch die Hygieneprozesse. Eine Folge ist, dass wir die sehr wartungsintensive Bier-Zapfanlage aus den Zügen ausbauen. Zumal der Trend in der Vergangenheit auch immer stärker zum Flaschenbier ging.
Ein zweites Thema ist der Fahrplan: Dort analysieren wir das Angebot ganz genau, um den Fahrplan noch resilienter zu machen und gleichzeitig auch den Wünschen der Kunden zu entsprechen. Bisher war es so, dass es ein Angebot gab, was die Produktion umsetzen musste. Und die Produktion hat geschaut, wie sie es am besten durchführen kann – auch wenn es dabei zu Ineffizienzen oder störanfälligen Konzepten kam. Diese werden mit dem neuen Ansatz künftig reduziert. Im Fahrplan 2026 werden wir beispielsweise das verspätungsanfällige Kuppeln und Entkuppeln von Zugleistungen halbieren.
Welche Schritte sind geplant, damit das Projekt im Plan fertiggestellt wird?
Für die Fahrzeugqualität ist natürlich der Zulauf der neuen Fahrzeuge, also insbesondere der ICE 3neo, immens wichtig. Gleichzeitig haben wir störanfällige Baureihen wie den ICE 3M (BR406) im April abgestellt und flotten den ICE2 bis 2027 aus. Obendrein brauchen wir die passende Kapazität, um unsere Züge zu entstören. So bauen wir gerade am neuen ICE-Werk in Dortmund Hafen und erweitern unser Werk in Berlin Rummelsburg.
Das ist die Basis, um eine gute Fahrzeugqualität zu erreichen. Zusätzlich passen wir verschiedene Prozesse an. Gerade an der Schnittstelle zwischen Flotte und Werke treiben wir das Thema Digitalisierung weiter voran. Wir wollen unsere Züge besser überwachen, um Fehler und Probleme mittels Sensorik und Künstlicher Intelligenz frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Ein Beispiel ist E-Check, den wir im ICE-Werk Hamburg bereits testen.
Nicht immer können wir alles selbst beeinflussen, aber immerhin das Beste daraus machen. So ist der Lieferverzug beim ICE L bitter, aber wir haben es durch den Einsatz des ICE 3neo ab Dezember 2025 auf der Linie 77 (Berlin–Amsterdam) geschafft, dass wir trotzdem die sehr störanfälligen Intercity 1 ausflotten können. Die letzten Reisezugwagen sollen Mitte 2026 auf den touristischen Verkehren aus dem Betrieb gehen. Aktuell sind wir optimistisch, dass der ICE L dann da ist, um sie zu ersetzen.
Was ist das größte Hindernis bei diesem Projekt?
Ich würde nicht von Hindernissen sprechen. Es sind für mich eher Spannungsfelder, die sich ergeben. Innerhalb von S3 gibt es Qualitätsziele und wirtschaftliche Ziele. Die Herausforderung ist, sie richtig auszutarieren. So muss ich für eine gute Fahrzeugqualität genug Zeit einplanen, um die Fahrzeuge entsprechend zu entstören. Andererseits sollen unsere Züge aber auch wirtschaftlich eingesetzt werden und möglichst viel Zeit mit unseren Fahrgästen unterwegs sein, um Geld zu verdienen.
Das heißt: Wir brauchen smarte Ideen, wie wir sie schnell und effektiv entstören können.
Wo steht das Projekt aktuell?
Wir sind im Moment bei unserer Fahrzeugqualität gut unterwegs. Die Klimaanlagen sind für den Sommer vorbereitet und der besondere Fokus liegt auf den älteren Baureihen und deren Klimaanlangen, die nicht so robust ausgelegt sind. Durch die höheren Temperaturen steigt das Störgeschehen, also versuchen wir unter anderem Planarbeiten, die wir schon vorher abarbeiten können, nicht im Sommerzeitraum durchzuführen.
Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: „Wir brauchen für dieses Projekt…“
Das gilt wahrscheinlich für viele Projekte, aber natürlich vollen Einsatz und Engagement unter den Kolleginnen und Kollegen, um unsere Ziele zu erreichen. Am Ende muss im komplexen Bahnbetrieb jedes Rädchen ins andere greifen, und mit dem S3-Projekt Fahrzeugqualität liefern wir ein solches Rädchen dazu bei. Mit guten Ideen und smarten Lösungen bringen wir unsere Fahrzeuge voll funktionsfähig für unsere Reisenden in den Einsatz.