Artikel: Umpflanzaktion mit Peter Wohlleben: Kirschbaum on tour
Ein junger Kirschbaum wuchs seit mehr als drei Jahren im Geis 14 im Hamburger Hauptbahnhof. Nun wurde er langsam zu groß für den Zugverkehr. Die Deutsche Bahn und der bekannte Förster und Buchautor Peter Wohlleben pflanzten die Kirsche daher um. Ihre neue Heimat? Wohllebens Waldakademie in Rheinland-Pfalz.
ICE 201. Endstation Basel. Es wird der letzte Zug sein, der über den kleinen Kirschbaum von Gleis 14 hinwegrollt. Noch einmal tönt es über die Lautsprecher 'the train is arriving', anschließend saust er davon. Dann heißt es: Action! Peter Wohlleben geht ins Gleisbett und führt die Operation durch. Der Patient: ein Kirschbaum der besonders zähen Sorte.
Wer es hier schafft, schafft es überall
Seit mehr als drei Jahren wächst er schon in dieser für ihn lebensfeindlichen Umgebung. Denn der obligatorische Schotter im Gleisbett ist nicht gerade verträglich für eine junge Kirsche, die hoch hinaus will. Der tägliche Zugverkehr und die widrigen Wetterbedingungen tun ihr Übriges.
Doch dieser Kirschbaum hat über die Jahre allen Widrigkeiten getrotzt. Für Peter Wohlleben ist das ein gutes Zeichen. „Die Kirsche ist für mich ein Sinnbild dessen, was Bäume auszuhalten vermögen“, erklärt er. „Wenn es die Kirsche als heimische Baumart hier schafft, dann sollte es draußen im Wald erst recht funktionieren.“
Der etwas andere Zeitvertreib
Die Kirsche gehört zu einer ganzen Reihe von Bäumen, die Wohlleben auf seinen Reisen mit der Bahn entdeckt hat. „Ich fahre längere Strecken grundsätzlich mit der Bahn. Wegen des Klimaschutzes, weil man gut arbeiten kann, aber auch, weil ich gern Bäume beobachte.“ Er habe in verschiedenen Bahnhöfen Lieblingsbäume, die er während längerer Wartezeiten gern besucht. Dabei seien es besonders die kleinen Kämpfer:innen, die in den Gleisen von Hauptbahnhöfen leben, die ihm imponieren – so wie die Kirsche vom 14. Gleis.
2020 hat er sie erstmals entdeckt. Seitdem besuchte er sie regelmäßig. Nun war die Zeit reif, um der Kirsche ein neues Zuhause zu schenken. Dafür haben sich der durch sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ von 2015 sogar international bekannt gewordene Förster und die Deutsche Bahn zusammengetan. Wie die Kooperation zustande kam? Wohlleben hat die Kirsche in verschiedenen Talkshows und in seinem neuesten Buch erwähnt. Die DB wurde aufmerksam und kontaktierte ihn.
Operation unter Zeitdruck
15 Minuten Zeit hatten er und seine Schwiegertochter, die ihm assistierte, um die Aktion über die Bühne zu bringen. Im Moment, als die Kirsche aus dem Schotterbett befreit wurde, kamen auch die tiefen Wurzeln zum Vorschein, die sie über die Jahre am Leben hielten. Nun blieb nicht mehr viel Zeit, 10 Minuten um genau zu sein. Wäre der Patient bei Ablauf der Zeit nicht unter der Erde gewesen, wäre er nicht mehr am Leben. Doch alles verlief glimpflich, die Umtopfung verlief erfolgreich. Jetzt ist die Kirsche in Wohllebens Waldakademie in Rheinland-Pfalz, wo sie dauerhaft Wurzeln schlagen kann. Mission completed!