Artikel: Vom Spielzeugzug in den echten Triebwagen
Marc Olcayto managte lange Zeit einen Spielwarenladen. Doch Miniatureisenbahnen sind nichts gegen echte Züge. Als ihm ein Freund immer wieder von der Faszination Bahn vorschwärmte, fasste er den Entschluss, seinem Leben eine neue Richtung zu geben: Seit April ist der Quereinsteiger frisch gebackener Triebfahrzeugführer bei der S-Bahn Stuttgart – und glücklich, Teil der Verkehrswende zu sein.
„Die Zeit vergeht bei jeder Schicht wie nichts.“ Marc Olcayto ist begeistert, wenn er von seinem neuen Job erzählt. „Nie wird es langweilig, nie ist es das gleiche“, sagt er. Dabei hat der 38-jährige Triebfahrzeugführer seine Berufung erst auf den zweiten Blick entdeckt: „Klar wollte man als Kind Polizist, Feuerwehrmann oder Lokführer werden.“ Doch nach der Schule ist es für den Stuttgarter dann doch erst einmal die kaufmännische Ausbildung in einem familiengeführten Spielwarengeschäft geworden.
„Spielzeug ist eine schöne Materie“, so Olcayto. „Das hat mich damals gereizt.“ Und auch die Leitung einer Filiale war eine Herausforderung. Der zunehmende Druck durch den Onlinehandel und die schwindenden Umsätze machten dem Familienunternehmen allerdings zu schaffen und letztlich den Garaus. Olcayto wechselte deshalb in ein Computerfachgeschäft. Beriet Kund:innen, verkaufte und reparierte PCs und stellte letztlich mit der zeitweisen Schließung des Ladens während der Pandemie fest, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.
Krisensicherheit inklusive
„Ein guter Freund ist bei der S-Bahn Stuttgart. Er hat mir immer wieder von seiner Arbeit als Triebfahrzeugführer erzählt“, berichtet Olcayto von seinen ersten Berührungspunkten mit der DB. Damit war bei ihm nicht nur die Faszination geweckt, die Aussicht auf einen krisensicheren Job führte zum nächsten Schritt: die einjährige Ausbildung zum Triebfahrzeugführer (Tf) für Quereinsteiger.
„Vor allem die Nachtfahrten waren die ersten Male ungewohnt, weil man gefühlt ins Nichts fährt“, erinnert sich Olcayto an seine Anfänge im Führerstand. Doch nachdem die Orientierung entlang der Signale bald wie von selbst funktionierte, ist es für ihn mittlerweile das Schönste, der aufgehenden Sonne entgegenzufahren.
Der seit April frisch gebackene Tf genießt seinen neuen Job – und mancher Fahrgast versüßt ihm den zusätzlich: „Es ist schon vorgekommen, dass Leute an die Führerstandtür klopfen und sich dafür bedanken, dass ich sie sicher ans Ziel gebracht habe.“ Einige wollten ihm sogar Schokolade schenken.
Auch die Familie ist begeistert
Marc Olcayto ist nicht der Einzige, der Feuer und Flamme für seinen neuen Beruf ist. „Auch mein Sohn und meine ganze Familie waren begeistert, als sie hörten, dass ich Triebfahrzeugführer werde“, sagt er. Das Lernpensum während der Ausbildung hatte sich der 38-Jährige allerdings nicht ganz so umfangreich vorgestellt, wie es am Ende war. „Das war schon ein bisschen erdrückend.“
Der Familienvater ist inzwischen endgültig im neuen Job angekommen und hat sich auch an den Schichtbetrieb gewöhnt. Wichtig sei es nur gewesen, den richtigen Schlafrhythmus zu finden: „Man muss sich regelrecht antrainieren, tagsüber zu schlafen.“ Aber für die systemrelevante Aufgabe und das Gefühl, dass ihm während seiner Schicht niemand ständig über die Schulter schaut, nahm er das nur allzu gern in Kauf. Was Olcayto darüber hinaus fasziniert: „Es ist schön, Teil der Verkehrswende zu sein“, sagt er. Schließlich sei Bahnfahren nicht nur zeitgemäß, die Fahrgäste kommen vor allem entspannt von A nach B und müssen sich nicht durch den Stau quälen.