Artikel: DB zieht umfassende Konsequenzen aus interner Untersuchung des Zugunfalls von Garmisch-Partenkirchen
Die unabhängige interne Untersuchung, die die Deutsche Bahn (DB) im Nachgang des tragischen Zugunfalls mit fünf Toten und 72 Verletzten am 3. Juni 2022 in Garmisch-Partenkirchen beauftragt hat, ist abgeschlossen. Damals entgleiste ein Regionalexpress zwischen den Bahnhöfen Garmisch-Partenkirchen und Farchant auf der Höhe von Burgrain. Unfallursächlich waren schadhafte Betonschwellen. Die Betonschwellen wiesen aufgrund von chemischen Reaktionen im Inneren des Stahlbetonkerns keine ausreichende Tragfähigkeit mehr auf.
Während der letzten drei Jahre hat die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz umfassend und objektiv die Unfallursachen analysiert und die Verantwortlichkeiten über alle Ebenen hinweg aufgeklärt. Dafür wurden unter anderem Interviews mit mehr als sechzig Personen geführt und rund 10 Millionen Datenpunkte systematisch ausgewertet. Nun liegt der DB ein vertraulicher Abschlussbericht vor. Die DB kooperiert weiterhin vollumfänglich mit sämtlichen untersuchenden Behörden.
Gleiss Lutz kommt zu dem Ergebnis, dass der Zugunfall vermeidbar war. Der Unfall war die unmittelbare Folge regel- und pflichtwidrigen Verhaltens des vor Ort tätigen betrieblichen Personals. Gleichzeitig hat die damalige DB Netz nur unzureichend auf die auf mehreren Ebenen in der Organisation vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse zu geschädigten Betonschwellen reagiert und den Unfall hierdurch ermöglicht. Dies schließt damals ressortverantwortliche Vorstandsmitglieder ein.
Philipp Nagl, Vorstandsvorsitzender der DB InfraGO: „Dieses Ergebnis ist erschütternd und macht uns betroffen. Ich kann den Hinterbliebenen und Leidtragenden des Unfalls aber versichern, dass wir bereits umfassende Konsequenzen gezogen haben und noch ziehen werden. Dazu gehören Maßnahmen gegen alle pflichtwidrig handelnden Personen sowie Vorkehrungen, die wir zur Verhinderung von künftigem Fehlverhalten auf allen Ebenen eingeführt haben und noch einführen werden.“ Darüber hinaus wird die DB InfraGO Ersatzansprüche gegen ehemalige Vorstandsmitglieder geltend machen.
Gleiss Lutz hat darüber hinaus in einem strukturierten Verfahren die tieferliegenden systemischen Ursachen analysiert, die zu dem Unfall geführt haben. Dies umfasst insbesondere organisatorische, prozessuale und kulturelle Defizite. Daraus abgeleitet hat die DB ein umfassendes Projekt aufgesetzt, um diese systematisch und nachhaltig abzuarbeiten. Einige Defizite hat die DB bereits während der laufenden Untersuchung abgestellt. Beispielsweise durch folgende Maßnahmen:
- Mit einem umfassenden Schwellenaustauschprogramm ersetzt die DB alle potenziell risikobehafteten Schwellen präventiv. Ein Großteil wurde bereits entfernt – bis heute rund zwei Millionen Betonschwellen. Das Schwellenaustauschprogramm trägt erheblich zur künftigen Sicherheit und Verlässlichkeit des Netzes bei.
- Die wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse hat die DB laufend berücksichtigt und in eine verschärfte Richtlinie zur Bewertung von Fehlern an Betonschwellen in ihr Regelwerk überführt.
- Zudem hat die DB umfangreiche Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt, um die erforderliche Risikosensitivität auf allen Ebenen herzustellen. Die Schulungsmaßnahmen werden künftig weitergeführt und noch erweitert.
- Darüber hinaus hat der Vorstand der DB InfraGO proaktiv und vorsorglich prüfen lassen, ob auch in weiteren Infrastrukturbereichen ähnliche Herausforderungen wie bei Betonschwellen bestehen. Alle unmittelbaren Handlungsfelder wurden abgearbeitet.
Für das zukunftsgerichtete weitere Vorgehen zur Beseitigung der festgestellten Defizite hat die DB ein Projekt eingerichtet, das bis vsl. Ende 2027 abgeschlossen sein wird. Es umfasst insbesondere:
- Organisatorische Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitsarchitektur (Berichtslinien, Kontrollkonzepte);
- Weiterentwicklung von Prozessen, Richtlinien und Unterstützungssystemen einschließlich Wissensmanagement und Informationsfluss mit dem Ziel einer ganzheitlichen Risikosteuerung;
- sowie Kultur- und Sensibilisierungsmaßnahmen zur Stärkung der Sicherheitskultur.
Die Maßnahmen sind nicht auf den Bereich der Betonschwelle beschränkt, sondern grundsätzlich gewerkübergreifend. Gleiss Lutz wird im Rahmen eines freiwilligen Monitorings die Umsetzung der sogenannten Remediationsmaßnahmen begleiten, um die effiziente und nachhaltige Beseitigung der festgestellten Defizite sicherzustellen. Philipp Nagl: „Die Lehren aus dem vorliegenden Untersuchungsbericht werden wir ohne Abstriche umsetzen.“