Schienenkartell: DB geht in Berufung

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14. August 2022, 13:45 Uhr
Berlin

Artikel: Schienenkartell: DB geht in Berufung

Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. verkehrt Rolle von Tätern und Opfern • DB weist Vorwürfe zurück • Urteil schädigt Steuerzahlende • Mit Erfolg hatte die DB frühzeitig Vergleiche über hohe Schadensersatzzahlungen abgeschlossen 

Gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 3. August 2022 werden DB-Unternehmen aufgrund von gravierenden Fehlern im Sachverhalt und in der rechtlichen Bewertung Berufung einlegen.  

Das Landgericht Frankfurt/M. hat die Schadensersatzklage der DB Netz AG und anderer DB-Unternehmen gegen Moravia Steel, einem tschechischen Stahlhersteller, und anderer Unternehmen wegen Verjährung abgewiesen. Das Gericht geht davon aus, dass Mitarbeitende der DB das Schienenkartell bereits im Jahr 2007, d.h. fünf Jahre vor dem Bundeskartellamt hätten entdecken können und es nur wegen grober Fahrlässigkeit nicht erkannt haben.  

Diesen Vorwurf weist die DB entschieden zurück. Selbst die kartellbeteiligten Unternehmen haben die Verstöße ihrer Mitarbeitenden erst 2011 erkannt - und auch das nur, weil ein Kronzeuge aus dem Kreis der Kartellbeteiligten das Bundeskartellamt und die Strafverfolgungsbehörden auf das Kartell aufmerksam machte.  

Mehrere Schienenlieferanten hatten zwischen 2001 und 2010/11 rechtswidrig Lieferquoten und Preise für Lieferungen von Schienen an die DB abgesprochen. Das Bundeskartellamt verhängte 2012 und 2013 gegen Moravia Steel und andere Kartellanten Bußgelder von insgesamt 134,5 Mio. EUR. Die DB hat im Dezember 2012 eine Schadensersatzklage über mehrere hundert Millionen Euro vor dem Landgericht Frankfurt/M. erhoben. 

Mit Erfolg konnte die DB mit den Stahlherstellern ThyssenKrupp, Voestalpine und Stahlberg Roensch frühzeitig Vergleiche über hohe Schadensersatzzahlungen abschließen. Der größte Anteil davon ist in den Bundeshaushalt geflossen.  

Fakt ist: Die Unternehmen haben das Kartell mit großem Aufwand organisiert, durchgeführt, mit Methoden der organisierten Kriminalität geheim gehalten und sich dabei bereichert. Das haben alle anderen Kartellanten erkannt. Einzig Moravia Steel entzieht sich hier weiter seiner Verantwortung. Von den ursprünglich geltend gemachten Schadensersatzansprüchen der DB in Höhe von 376 Mio. Euro zzgl. Zinsen sind noch Ansprüche gegen die Lieferantin Moravia in Höhe von 133 Mio. Euro zzgl. Zinsen offen.  

Das Urteil vom 3. August 2022 steht im eklatanten Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshof. Beispielsweise wird die BGH-Rechtsprechung, nach der Schäden aus einzelnen Beschaffungsvorgängen verjährungsrechtlich als eigenständige Ansprüche zu beurteilen sind, nicht angewendet; danach wären zumindest Ansprüche ab dem Jahr 2008 nicht verjährt.

Sollte das Urteil Bestand haben, würden Steuerzahlende (Zuwendungsgeber) belastet und kartellbeteiligte Unternehmen begünstigt werden. Denn das erstinstanzliche Urteil verkehrt die Rollen von Tätern und Opfern.

Die DB macht nicht nur eigene Schadensersatzansprüche geltend, sondern verlangt auch Ersatz des Schadens der Zuwendungsgeber. Die Schienenbeschaffungen wurden überwiegend aus Mitteln des Bundes und anderer Zuwendungsgeber finanziert.